Das Tamsweger Tertiär, das westlichste neogene Becken der
Norischen Senke, wurde hinsichtlich der tertiären Hebungsgeschichte der
Ostalpen untersucht. Dieses Tertiärbecken war aufgrund seiner Lage, nur
wenige Kilometer östlich des Tauernfensters, ein wichtiger Sedimentfänger.
Den Beginn der Sedimentation bilden Basisbreccien und
dünne rote Ton-Siltlagen (Hinweis auf semihumides Klima). Darauf folgen ca.
50 m mächtige, überwiegend komponentengestützte Konglomerate, die analog zu
den Becken der Norischen Senke in das Karpat eingestuft werden. Den Großteil
der Sedimentation bilden 10’er bis 100’er Meter mächtige Konglomeratkörper
mit eingelagerten Sandsteinlagen, die zwei Zyklen bilden. Die Zyklen weisen
ein fining-upward (fu) auf, wobei die feineren Partien des ersten Zyklus
nicht vollständig erhalten sind (siehe Abbildung 1). Die Geröllgrößen nehmen
ins Hangende der Zyklen ab, der Anteil der Sandsteinlagen zu. Den Abschluß
eines Sedimentationszyklus bilden Siltsteine, die stellenweise Pflanzenreste
und Pflanzenabdrücke enthalten. Die Stagnation des Sedimenteintrags ist
durch lokale Mn-Krusten belegt. Als Faziesmodell für die
Ablagerungsbedingungen wird ein „alluvial fan complex" angenommen.
Die verzahnten Sedimentkörper geben das Vorbauen mehrerer
Schüttungsfächer wieder. Die tieferen Seebereiche sind durch Ton-Siltsteine
gekennzeichnet, die im oxischen Milieu abgelagert wurden (sporadische
Weidespuren und Mn-Pigmentierung). Neben dem vertikalen fu-Trend zeigt sich
auch eine Verfeinerung der Sedimentkomponenten von proximalen zu distalen
Bereichen.
Das Geröllspektrum besteht aus Quarz, Glimmerschiefer,
Paragneisen, Quarzitschiefern, Phylliten, tektonischen Breccien und
vereinzelt Kalkmarmoren. Sie alle werden aus der kristallinen Rahmenzone des
Beckens bezogen. Gerölle, die dem Penninikum des Tauernfensters zugeordnet
werden könnten, fehlen. Dies deutet darauf hin, daß während der
Sedimentation das Unterostalpin und Penninikum noch unter dem ostalpinen
Kristallin begraben lag.
Die Geröllgrößen nehmen von W nach E leicht ab. Lokal
treten Gerölle mit ca. einem Meter Durchmesser auf. Ihre Ablagerung setzt
ein deutliches Relief voraus. Die Auswertung der Imbrikationen zeigt zwei
Schüttungstrends, die mit den zwei Sedimentationszyklen korreliert werden:
der erste Zyklus schüttet aus NW und der zweite aus W (siehe Abbildung 2).
Die Slumping-Strukturen zeigen bis auf wenige Ausnahmen ähnliche
Transportrichtungen wie die Geröllimbrikationen an. Die Schüttungrichtungen
aus W bzw. NW stehen mit der Aufdomung im Bereich des späteren
Tauernfensters in Einklang.
Auffällig sind feine bruchlos verformte Kohlebänder auf
Störungsflächen. Sie sind ein Anzeichen für eine frühe tektonische
Beanspruchung vor Beginn der Inkohlung. Das Pflanzenmaterial besaß aufgrund
hohen Wassergehaltes eine hohe Mobilität mit quasi-duktilem Verhalten (nach
freundl. mndl. Mitt. Ligouis 1996). Die sehr hohen Inkohlungsgrade im
Tamsweger Becken (nach Sachsenhofer 1989) wurden mit der raschen
tektonischen Denudation des Tauern-Domes erklärt.
Eine paläogeographische Rekonstruktion des
Ablagerungsraumes zeigt ein weit nach Süden vorgreifendes und sich über die
Nock-Fläche erstreckendes, flaches Seenbecken. Hinweise hierfür sind
tertiäre Sedimentreste auf der Nockfläche (Bonner Hütte), dem Schwarzenberg
und Mitterberg.
Die tektonische Stellung des Beckens, am W-Rand des durch
laterale Extrusion (Ratschbacher et al. 1991) nach E ausgewichenen Ostalpins,
kann als eine Kombination eines Pullapart-Beckens an der Norischen Linie und
einer Rollover-Struktur über der Abscherungsfläche des Tauernfensters
gesehen werden. Die Analyse der Strukturdaten ergibt folgende relative
zeitliche Abfolge:
1. N-S Kompression im frühen Miozän
2. Dehnungsregime am Übergang zum mittleren Miozän (einsetzende
Sedimentation)
3. E-W Stau im späten Miozän (Sarmat ?)
4. N-S Einengung mit Aufschiebungen im Pliozän (Beckeninversion)
5. N-S Einengung mit Aktivierung lateraler Bewegungen nach E im Plio-
Pleistozän